England und Schottland 2015

Stationen

Lüneburg - Dünkirchen - Daver - Cambridge - Fountain Abbey - Whitby - Hadrianswall - Gretna Green - Girvan - Isle of Skye - Äußere Hebriden - Durness - Orkney Inseln - Lindisfarne - Bamburgh - Dover - Lüneburg            

1. Juli 2015

Heute soll's losgehen. Wir haben unsere Reise von langer Hand geplant, Literatur gewälzt, Karten in allen Maßstäben bearbeitet, Routen ausgetüftelt und Träume von wehenden Kilts, wolkenverhangenen Highlands, einsamen Inseln, 2 Millionen Schafen, lärmenden Dudelsäcken, Pints of Ale, Whisky von Glenfiddich und den Royals auf Schloss Balmoral geträumt. Wir wissen schon jetzt: Es kommt alles ganz anders, aber besser - das haben uns unsere bisherigen Reisen in ganz Europa gelehrt. Aber: gut so! Wir sind gespannt wie ein englischer Langbogen im Mittelalter.

Unsere Fahrt soll uns über Holland und Belgien nach Dünkirchen führen. Die Fähre von DSFS (nicht DSDS :-) bringt uns nach Dover, und dann geht's mit unserem Wohnmobil (Giottline G-Liner 937) über Cambridge und Kingston upon Hull an die englische Ostküste. An der Küste entlang führt uns unser Weg über Scarborough und Whitby nach Newcastle. Von dort werden wir den Hadrianswall erkunden und über Carlisle nach Schottland einfallen mit dem Ziel, das Land einmal komplett zu umrunden und dabei die Isle of Skye, die Äußeren Hebriden und die Orkney Inseln zu besuchen.

Also dann: Wer Lust hat, uns von Zeit zu Zeit auf unserer spannenden Tour zu begleiten, sei herzlich eingeladen. Wir werden - wann immer das Internet und WLAN es zulassen, euch für die kommenden ca. 7 Wochen mit Fotos und Texten an unseren Abenteuern teilhaben lassen.

Beginnen wir einfach mit Ronja, die uns begleiten wird - immer zufrieden, wenn der Motor unseres Reisegefährts brummt, das gewohnte Futter schmeckt und das Rudel - von ihr gut bewacht -  um sie herum ist.

 

2. – 3. Juli 2015
Nachdem wir in Leer noch einmal in Deutschland übernachtet haben, sind wir über den Abschlussdeich, der die Nordsee vom Ijsselmeer trennt, bei herrlichem Wetter durch Holland gebummelt, an Amsterdam vorbei und durch das Tulpenanbaugebiet bei Lisse gefahren, haben Den Haag und Rotterdam gestreift und Seeland über die Abschlussdeiche und Schleusen durchquert. Durch den 6 km langen Tunnel haben wir die Westerschelde passiert und sind der belgischen Nordseeküste über Ostende gefolgt.

So weit – so gut. Unserer Freude, den Fährhafen Dünkirchen schon drei Tage vor dem gebuchten Termin zu erreichen und eine frühere Fähre zu erwischen, folgte eine ernüchternde Überraschung, die sich mit einer ca. 20 km langen LKW-Schlange auf dem Standstreifen der französischen Autobahn und einem riesigen Polizeiaufgebot ankündigte und bis zum Fährhafen zur Gewissheit wurde: Durch einen Streik des Personals am Eurotunnel und im Fährhafen von Calais versuchten gefühlte 10.000 Trucks den Weg über Dünkirchen nach England zu finden. Lange Rede – kurzer Sinn: Wir konnten schließlich für die 20-Uhr-Fähre buchen, aber sind erst nach einem chaotischen Einchecken mit 4 Stunden Verspätung um Mitternacht gestartet. Dennoch haben wir einen kurzweiligen Abend verbracht, weil wir einem irischen Trucker begegneten, der alle Erfahrungen, die wir mit warmherzigen und immer zu einem Plausch aufgelegten Bewohnern der grünen Insel schon bei früheren Reisen gewonnen haben, eindrucksvoll bestätigte. What a nice guy!  Die Erfahrungen auf der Fähre waren für uns neu und ungewöhnlich. Um uns herum übermüdete Erwachsene und Kinder, die entweder in den Armen ihrer Eltern schliefen oder völlig überdreht herumtobten, Menschen, die kreuz und quer auf den Bänken und Teppichböden lagen, aber insgesamt eine Atmosphäre, die von einer erstaunlichen Gelassenheit getragen war. Um 3 Uhr MEZ – mit dem Gewinn einer Stunde also um 2 Uhr GMT – löste sich die verschlafene Solidargemeinschaft mit dem Auschecken auf, und wir konnten uns für ca. 2 km bis zum Stellplatz an der Strandpromenade von Dover an den Linksverkehr der kommenden Wochen gewöhnen. Mit Blick auf den Fährhafen begann unsere erste Nacht in Großbritannien.

4. Juli 2015
Welch ein Erwachen bei herrlichem Wetter  an der Strandpromenade von Dover! Heute führt uns der Weg an London vorbei auf der Autobahn „The North“ nach Cambridge. 62 Nobelpreisträger, 13 Premierminister und 9 Erzbischöfe von Canterbury haben in diesem weltberühmten Kleinod der Wissenschaft studiert – von verschiedenen Mitgliedern des englischen Königshauses ganz zu schweigen. Die Stadt mit ihren traditionsreichen Colleges, ihren schönen Parks und ihrer lebendigen Innenstadt bildet offensichtlich einen besonderen Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt und hat auch auf uns ihren besonderen Eindruck nicht verfehlt, den wir bei unserem fünfstündigen Besuch gewonnen haben. Zum Übernachten finden wir einen ruhigen, an einem Kanal gelegenen Stellplatz in Ely.

6. Juli 2015
Der Besuch von York ist in jeder Hinsicht empfehlenswert. Von Wilhelm dem Eroberer nach dessen Sieg bei Hastings und der Besteigung des englischen Throns in der Zeit nach 1066 zerstört, gelangte die Stadt als Zentrum Yorkshires wieder zu erheblicher Bedeutung. Den Rundgang über die Stadtmauer mit wunderschönen Ausblicken v. a. auf das riesige Münster genießen wir ebenso wie das Eintauchen in die verwinkelten Gassen der Innenstadt, insbesondere in das Viertel „The Shambles“ das mit seinen kleinen Geschäften und Kneipen, deren Fassaden einfallsreich gestaltet sind, eine pitoreske Atmosphäre vermittelt.

7. Juli 2015
Das Kloster Fountains Abbey liegt ca. 40 km nordwestlich von York in der Nähe von Ripon. Das Zisterzienserkloster, im 11. Jh. gegründet, erst arm und später v. a. durch Schenkungen zu immensem Reichtum gelangt, im 15. Jh. von Heinrich VIII wie alle englischen Klöster geschlossen, stellt die größte Klosterruine Europas dar und liegt in einem weitläufigen Tal. Der gesamte Komplex mit seiner als Park gestalteten Umgebung, von Teichen und kleinen Wasserläufen durchzogen, wird vom National Trust liebevoll gepflegt und ist für den Besucher ein besonderer Genuss, zu dem das immer freundliche und hilfsbereite Personal einen gewaltigen Teil beiträgt. Dazu ein Tipp: Allein in England werden ca. 400 Schlösser, Herrenhäuser, Gärten und andere Sehenswürdigkeiten vom National Trust verwaltet. Dies gilt ebenso für Schottland. Wenn man bedenkt, dass der Eintritt für zwei Erwachsene in Fountains Abbey 25 engl. Pfund kostet, sollte man eher eine einjährige Mitgliedschaft für zwei Personen für 99 Pfund erwerben, mit der ein ausführlicher Katalog, einen Übersichtskarte, ein kostenloser Parkausweis und die Gewissheit verbunden ist, in allen Einrichtungen des National Trust – „Oh, you are members!“ – freundlichst und natürlich kostenlos aufgenommen zu werden.

Und weiter geht unsere Tour durch Yorkshire nach Osten am Südrand des North York Moors National Park entlang. Bei Pickering biegen wir nach Norden ab und klettern mit unserem G-Liner im strömenden Regen über Steigungen von bis zu 25 %  und beängstigenden Serpentinen auf die Hochebene des Nationalparks, die von Flechten, Moosen und v. a. Heidekraut und Wollgras bedeckt ist. Sie bietet Tausenden von Schafen Nahrung, die das Gebiet durchziehen und für den pflegenden und damit nötigen Verbiss sorgen.

Der Abstieg aus der Hochebene führt uns zu einem Bauernhof nach Whitby, hoch über dem Meer gelegen, mit einem wunderbaren Ausblick auf die See und den Gerüchen und Geräuschen, die die Aufenthalte auf den Wiesen hinter den Ställen der Höfe so einmalig machen, mit intensiven Gesprächen mit dem Eigentümer, der sich neben dem Kühemelken auch noch Zeit für einen Plausch mit den Gästen nimmt, mit englischen Nachbarn, die sich als unkompliziert, humorvoll und hilfsbereit erweisen. Um keinen Preis der Welt wollten wir mit denen tauschen, die immer auf der Suche nach dem perfekten Campingplatz sind, möglichst durch hohe Hecken vom Nachbarn getrennt, mit Stromanschluss für den Fernseher und die mittransportierte Waschmaschine, platzeigenem Vier-Sterne-Restaurant, Spa-Bereich sowie Frisch- und Abwasseranschluss wie zuhause.

8. Juli 2015
Whitby ist schön – Whitby bei strömendem Regen ist eher eine Herausforderung, Aber entsprechende Kleidung und der große Regenschirm sorgen dafür, dass zumindest unser Humor trocken bleibt. Die Stadt hat Atmosphäre, der Ausblick von der Ruine des Klosters Whitby Abbey auf den Hafen ist grandios und die riesige Portion Fish & Chips sorgen für einen behaglichen Verlauf des Tages, den wir in Saltburn-by-the-Sea an dem riesigen Sandstrand des Fischer- und Urlaubsortes beenden.

9. Juli 2015
Endlich den Hadrianswall erreicht. Der Verteidigungswall der Römer gegen die Barbaren des Nordens ist archäologisch hervorragend erschlossen und vom National Trust – Oh,we are members! – wunderbar gepflegt. Insbesondere der Besuch des römischen Kastells Housesteads Fort und des Walls in dem hügeligen Gelände ist ein weiteres Highlight unserer Reise.

10. Juli 2015
Wir verlassen England bei Carlisle , überschreiten die Grenze nach Schottlland auf der M 6 und tun uns zunächst den fast unvermeidlichen Besuch Gretna Greens an. Der Ort, insbesondere das Blacksmith Visitors Centre, lebt prächtig von dem Mythos schneller und heimlicher Eheschließungen, von den Geschichten über zornige Brautväter, die hoch zu Ross und mit Mordlust im Gepäck versuchten, die unerwünschte Eheschließung der geliebten Tochter zu verhindern – erfolglos, wie sich das für dramatische Geschichten dieser Art gehört. Wir haben selten erlebt, wie man mit so wenig Inhalt so viel Geld machen kann – alles eine Frage des geschickten Marketing. Deshalb setzen wir möglichst zügig unsere Reise fort und durchqueren die Lowlands, die so gar nicht low, sondern hügelig und bis zu 700  Meter hoch sind, in der Regel kahl, von Wiesen bedeckt, von Wällen durchzogen und von Schafen bewohnt, die seltsam nackt, weil gerade geschoren, daher kommen. Zum ersten Mal seit Cornwall und Irland fahren wir wieder auf schmalen und gewundenen Straßen, die bei Gegenverkehr nur über Ausweichbuchten zu meistern sind, die den Fahrer eines 7,50 m langen und über die Außenspiegel 2,50 m breiten Motorhomes zwangsläufig zu einer vorausschauenden und rücksichtsvollen Fahrweise erziehen, die er sehr schnell von den geduldigen Schotten lernen kann.

Nach 240 km erreichen wir Girvan, eine kleine Hafenstadt am Firth of Clyde. Von hier aus ist Belfast, die Hauptstadt Nordirlands, keine zwei Stunden mit der Fähre entfernt. Am Hafen finden wir einen ruhigen Stellplatz mit Blick auf den 15 km entfernten Vogelfelsen Alisa Craig und die irische See.

11.Juli 2015
Am Firth of Clyde liegt das Schloss Culzean Castle, vom National Trust verwaltet – Ja, we are members -, wunderbar gepflegt, reichhaltig und prachtvoll ausgestattet und von den älteren Damen und Herren, die sich im Trust ehrenamtlich engagieren, liebevoll präsentiert. Es ist schon ein besonderer Genuss, die notwendigen Informationen mit Empathie und Detailkenntnis vermittelt zu bekommen, immer mit einem Schuss trockenen schottischen Humors und Selbstironie gewürzt. Zu einem ganz besonderen Genuss wird der Besuch aber, als wir einen der prachtvollen Salons betreten und vom Gesang eines Duos mit Harfe und Gitarre empfangen werden. Dave Palmey und Phil Holland spielen traditionelle schottische und keltische Lieder, die die wunderbare Atmosphäre des Schlosses unterstreichen. Sie haben übrigens eine Reihe von CDs mit ihrer wunderbaren Musik aufgenommen, die man unter celtictwistmusic@gmail.com bestellen kann. Wenn man sie näher kennen lernen will, sei ihre Homepage www.hollandandpalmey.wix.com/html_celtictwist empfohlen.

Unsere Route führt uns anschließend von der Küste weg quer durch die Industriestadt Glasgow nach Stirling in das „Heart of Scotland“, wo 1314 die „Battle of Bannockburn“ stattfand, in der der schottische König Robert the Bruce die Truppen des englischen Königs Edward II vernichtend schlug und damit die Voraussetzung für ein freies Schottland schaffte. Zum 700-sten Jahrestag der Schlacht wurde 2014 ein völlig neues Monument und ein Visitors Centre geschaffen, das mit museumspädagogischem Feinschliff, der neusten Computertechnik und 3D-Präsentation einen überzeugenden Einblick in die schottische Geschichte gewährt.

Wir schließen den Tag mit einer Fahrt entlang des Trossachs Trail, der Heimat des geschichtenumwobenen Rob Roy, der schottischen Version des englischen Robin Hood, fahren über enge Straßen und durch große Waldgebiete zum Loch Katrine und übernachten an der Anlegestelle des legendären Dampfschiffes „Sir Walter Scott“, das tagsüber Feriengäste über den See schippert.

12. Juli 2015
Und weiter geht es auf dem Trossachs Trail nach Nordwesten, am Loch Lomond, Loch Long, Loch Fyne, Loch Awe und Loch Etive entlang bis an die Küste von Oban, gegenüber der Insel Mull. Hier übernachten wir am Hafen in der Nähe des Fähranlegers, von dem aus die umliegenden Inseln versorgt werden.

13. Juli 2015
Von Oban aus führt uns der Weg nach Fort William. Die kleine Stadt wird zur Ferienzeit von Touristen überschwemmt, hat aber außer ihrem West Highland Museum nichts besonderes zu bieten. Dafür werden wir einige Kilometer weiter mehr als entschädigt: Wir erreichen Glennfinan mit seinem Monument, das dem schottischen Thronerben Charles Edward Stuart, besser bekannt als Bonnie Prince Charlie (1720 – 1788), gewidmet ist, der 1746 nach der Schlacht vom Culloden seine Träume von der schottischen Krone so jäh begraben musste.

Gegenüber dem Monument besteigt man eine Anhöhe, von der aus man einen phantastischen Blick auf das Viadukt hat, das täglich von den historischen Dampfeisenbahnen, den „Jacobite Steam Trains“, die zwischen Fort William und Mallaig verkehren, befahren wird. Da die Züge durch die Harry-Potter-Filme weltberühmt wurden, sind sie in den Sommermonaten komplett ausgebucht. Wir hatten das Vergnügen, zwei dieser Züge, die beim Überqueren des Viadukts besonders spektakuläre Dampfwolken in den Himmel pusten, vom Beobachtungshügel aus zu genießen.

Die Fähre von Mallaig nach Skye haben wir heute Abend reserviert, morgen früh geht’s auf die Insel.

14. Juli 2015
Die Isle of Skye stellt alles in den Schatten, was wir bisher von Schottland gesehen haben. Die bis zu 1000 m hohen Berge sind in der Regel grasbedeckt und tauchen die Landschaft in ein sattes Grün , das nur von den blauen und grauen Farben der See und der Lochs sowie bei Ebbe vom Braun der Algen unterbrochen wird. Wir fahren im Westen der Insel nach Norden und bewältigen, um an die nord-westlichste Spitze zu gelangen, eine 17 km lange One-Track-Road mit sog. Passing Places, die gerade mal so breit ist wie unser Fahrzeug, die sich serpentinenreich an den Berghängen hinausschlängelt und den Fahrer bei intensivem Gegenverkehr eine besondere Lehrstunde in Vorsicht und Rücksichtnahme erteilt. Am Ende dieser Straße liegt der Neist Point. auf einer Landzunge, die sich hoch über dem Meer erhebt und von einem wunderschönen Leuchtturm gekrönt ist. Welch ein atemberaubender Anblick, der die Mühen der Anfahrt schnell vergessen macht!

15. Juli 2015
Unsere Fahrt um die Nordspitze von Skye beginnen wir in Portree, mit 2300 Seelen der größte und damit der Hauptort der Insel. Portree bietet außer verschiedenen Tank- und Einkaufsmöglichkeiten einen malerischen Hafen, dessen bunte Hausfassaden sich im Wasser des Piers spiegeln. Der Nordteil der Inseln, wieder auf einem One-Way-Track mit Passing Places zu befahren, der sich an den Hängen und Felsen entlang schlängelt, stellt den reizvollsten Teil des Eilands dar. Wir besuchen das liebevoll und vielfältig gestaltete Skye Museum of Island Life, das in originalgetreu restaurierten Steinhütten die Welt der Inselbewohner im 18. Jh. zeigt, und den Friedhof, auf dem sich unter einem riesigen keltischen Kreuz das Grab der in ganz Schottland verehrten Flora MacDonald befindet. Flora war die mutige Frau, die nach der verlorenen Schlacht von Culloden (1746) dem mit Kopfgeld gesuchten Bonnie Prince Charlie Unterschlupf gewährte und half, ihm - in Frauenkleidern als ihre Zofe verkleidet - die Flucht nach Frankreich zu ermöglichen.

Von Uig aus wollen wir die Fähre auf die die Südinsel South Uist der Äußeren Hebriden nehmen. Zuvor jedoch werden wir für zwei Tage die Ruhe des am Hafen gelegenen Campsites genießen, weil in der Hauptsaison die Nutzung der Fähre nicht ohne Wartezeiten möglich ist.

17. Juli 2015
1 1/2 Tage haben wir jetzt auf unsere Fähre nach Lochmaddy auf der Insel North Uist gewartet. Heute Morgen um 9.10 Uhr GMT soll es losgehen, doch erst nach einer weiteren einstündigen Wartezeit war klar, dass unser G-Liner mit seinen 7,5 m noch auf die Fähre passte. Bei Sonnenschein geht’s los. Die von der Sonne bestrahlte Silhouette der Isle of Skye ist grandios. In der Ferne präsentiert sich die Skyline der Äußeren Hebriden und erinnert uns ein wenig an die spektakuläre Lofotenwand, die wir allerdings seinerzeit gegen 1 Uhr nachts im warmen Licht der Mitternachtssonne bewundern konnten.

Von Minute zu Minute vergrößerte sich die Chance, dass alle Erwartungen zum Wetter und Wind auf den Äußeren Hebriden den Klischees entsprechen, die sich in unseren Köpfen festgesetzt haben. Als wir schließlich den Hafen von Lochmaddy erreichen, haben wir bereits die ersten kräftigen Regengüsse hinter uns, und der Wind – wie formuliert unser surfender Sohn immer so schön – hackte die Kühe vom Deich. Welch ein Erlebnis! Wir durchfahren heute eine der schönsten Landschaften, die wir auf unseren Reisen bisher gesehen haben. Auf der Insel wechseln sich Moorgebieten, fette Weiden, viele Sand-, Stein- und Algenstrände und Berge bis zu ca. 620 m Höhe ab. Der Südteil der Hebriden, der von den Inseln Barra, Eriskay, South Uist, Benbecula und North Uist gebildet wird, ist bis auf Barra durch Brücken und Dämme verbunden, sodass wir ihn mit unserem Wohnmobil problemlos befahren konnten. Alle Straßen, nicht nur die der Kategorie B und C, sind als Single-Road-Tracks mit Passing Places ausgelegt, die Straßenbreite entspricht exakt der unseres Fahrzeugs. Aber: Alles kein Problem, weil - wie überall in GB - sehr rücksichtsvoll gefahren wird. Die Anzahl der Dörfer – Städte sucht man vergebens – ist überschaubar, sodass die grandiose Natur nirgendwo durch Bausünden des Massentourismus beeinträchtigt wird.

Heute übernachten wir am Fährhafen von Lochboisdale ganz im Süden, mit Blick aufs aufgewühlte Meer, der durch die „gefühlten“ sieben Häuser des Ortes kaum getrübt wird.

18. Juli 2015
Nach der Durchquerung der südlichen Inseln geht es nach Berneray, an deren Nordspitze wir unser „Inselhopping“ – hier heißt das „Hopscotch“ –fortsetzen wollen. Es regnet in Strömen und der Sturm bringt unser Gefährt erheblich ins Schaukeln. Die Überfahrt auf die Insel Harris and Lewis dauert eine Stunde, die wir uns mit der Beobachtung der grünen und roten Tonnen vertreiben, durch die unsere Fähre in Schlangenlinien manövriert. Leider reicht die Sicht nur bis zur nächsten Tonne, aber bei unserer Ankunft in Leverburgh an Südende von South Harris klart es zumindest so weit auf, dass wir im Regen die Berge der Insel und auf der Weiterfahrt die Strände gut erkennen können. Nach einem Besuch der alten Kirche St. Clements in Robel, in der der 8. Chief des MacLeod-Clans im 16. Jh. seine letzte Ruhe in einem riesigen Sarkopharg fand, fahren wir nach Norden und erleben, dass sich alles im Leben noch einmal steigern lässt: Waren wir schon gestern von der wilden Schönheit der südlichen Inseln fasziniert, sind wir heute von den gewaltigen Sandstränden im Westen, den Tälern und den schroffen Bergen, von denen der höchste, der Mount Clisham, sich immerhin 800 m über dem Meer präsentiert. Rechts und links der Straße, die durch das Gebirge und an den Steilküsten entlang verläuft, erstrecken sich Hochmoore, in denen noch heute Torf gewonnen wird.

Unseren Schlafplatz finden wir vor dem Visitors Centre des Steinkreises von Callanish, dem größten Schottlands, den wir morgen besuchen wollen. Ich vermute, dass Diana Gabaldon uns dabei ein wenig begleiten wirdJ

19. Juli 2015
The Standing Stones of Callanish , der größte Steinkreis in Schottland, verfehlt auch auf uns nicht seine mystische Wirkung. Als wir sein Zentrum betreten, schauen wir uns ein wenig verstohlen um, weil ja nicht auszuschließen ist, dass Jamie Frazer hinter dem nächsten Stein hervorschaut und uns in die Zeit von Culloden und Bonnie Prince Charles entführt.

Einige Kilometer weiter finden den Dun Carloway Broch, einen Turm aus dem 4. Jh. v. Chr., in den sich die Insulaner zurückzogen, wenn ihnen vor allem von See her Gefahr drohte. Und wieder ein Stück weiter nach Norden besuchen wir das Gearrannan Blackhouse Village, in dem Steinhütten des 18. Jh. zu einem Dorf restauriert wurden, in denen sich das Leben dieser Zeit widerspiegelt.

Heute übernachten wir unter dem Leuchtturm am Butt of Lewis – umgangssprachlich übersetzt etwa „der dicke Hintern von Lewis“ – am nördlichsten Punkt der Insel.

20. Juli 2015
Der Tag beginnt gut. Frühstück nach einer ruhigen Nacht unter dem Leuchtturm von Butt of Lewis, dann eine gemütliche Fahrt nach Stornoway, der einzigen Stadt auf der Insel, die aber außer einem schönen Rathaus und einem Schloss, das zu Beginn des 20. Jh. von einem reichen Fabrikanten gebaut wurde, nicht viel zu bieten hat. Wir fahren, um die Zeit bis zur Abfahrt der Fähre in Tarbert zu überbrücken, noch einmal nach Nordosten, an einen der riesigen Sandstrände. Als wir dort den Parkplatz verlassen und eine schmale Stichstraße (ca. 20 % Steigung) hinauffahren, wird’s unerfreulich: In einer engen Kurve überfährt eines der Hinterräder einen im Gras verborgenen Stein. Ein paar Kilometer weiter signalisiert der kleine und jetzt sehr hilfreiche Funksensor am Reifen, dass der Druck langsam nachlässt. Fähre ade! Wieder einmal beweist sich die bereits erfahrene Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Schotten. Nach einem Zwischenstopp in einer am Straßenrand gelegenen Werkstatt werden wir bei einem Reifenfachbetrieb in Stornoway telefonisch angekündigt, erhalten per Google-Maps und Spickzettel eine visuelle und schriftliche Einweisung und erreichen dank Navi nach ein paar Minuten unser Ziel. Dort wiederum steht man schon zu zweit bereit und behebt das Problems binnen einer halben Stunde. Oh, we love these Hebridian guys!

Jetzt gibt’s nur noch ein Problem: Wir werden die Abfahrt der Fähre möglicherweise verpassen und sind gut beraten, auf den steilen und jetzt völlig verregneten Straßen die verbleibenden 50 km behutsam nach Tarbert zu fahren. Und richtig: Die Hoffnung, dass sich der Grundsatz, den wir aus Irland kennen, nämlich: „Irish time is about-time“, auch hier bestätigt, wird heute bitter enttäuscht. Die Fähre ist seit 10 Minuten auf dem Weg zur Isle of Skye. Also dann: Ein Anruf bei der Fährgesellschaft Caledonian MacBrayne führt dazu, dass wir für morgen früh einen Standby-Status erhalten und für übermorgen um 7.15 Uhr eine feste Buchung. Also immer mit der Ruhe – es wird schon.

Heute übernachten wir auf dem Parkplatz vor der Fähre und genießen die Ruhe, die sich über die Insel legt, wenn die letzte Fähre abgelegt hat.

22. Juli 2015
Wir sind wieder auf der Isle of Skye und nehmen uns für heute zwei Highlights vor. Das erste empfängt uns, sobald wir die Insel über die Brücke von Kyle verlassen haben: Das Eilean Donan Castle, das auf einer kleinen Insel  im Loch Duich liegt und über eine steinerne Brücke mit dem Festland verbunden ist. Es ist wohl das meistfotografierte Schloss in Schottland und wurde zusätzlich durch den Film „Highlander“ mit Christopher Lambert bekannt, weil es als Kulisse für die Heimat des Clans der MacLeod diente.

Bedeutsamer und geschichtsträchtiger noch das zweite Ziel, das wir nach einer Fahrt am legendären Loch Ness entlang hinter Inverness erreichen: The Battlefield of Culloden, das Schlachtfeld, auf dem am 16. April 1746 die Schotten – besser: die Highland-Clans, die Bonnie Prince Charles Stuart zum schottischen König machen wollten, eine vernichtende Niederlage erlitten, die sie mehr als 1.500 Männer kostete, die innerhalb von 25 Minuten starben. Diese Niederlage besiegelte endgültig das Schicksal Schottlands. Bonnie Prince Charlie musste – u. a. mit Hilfe der schottischen Nationalheldin Flora MacDonald - nach Frankreich fliehen. Schottland geriet nach dem Sieg der Engländer – angeführt von dem damals 25-jährigen Lord Cumberland - endgültig unter die Herrschaft der englischen Krone.

Nach diesen beiden Höhepunkten zieht es uns an die Nord-West-Küste zurück, um unsere Tour entlang der See fortzusetzen.

23. Juli 2015
Nach einer ruhigen Nacht in Kinlochewe, mitten in einem riesigen Wandergebiet, erreichen wir Ullapool, einen der Fährhäfen zu den Äußeren Hebriden, der die Reisenden nach Stornoway auf Lewis bringt. Das Städtchen hat eine sehr freundliche Kulisse mit einem geschäftigen Hafen, in dem neben den großen Fähren der Caledonian MacBrayne viele bunte Fischkutter liegen. Besonderes Vergnügen für Freunde des Scotish Way of Fast Food: Der Imbiss „The Chippies“, im Jahre 2005 immerhin zum „Take-away of the Year“ geadelt. Und tatsächlich: Die Fish and Chips waren die besten, die ich bisher in Schottland, England oder Irland genossen habe.

24. Juli 2015
Wir besuchen die Durness Highland Games! Die Games sind ein großes ländliches Volksfest – authentisch und abseits aller kommerzialisierten Tourismusveranstaltungen - , das den ganzen Sommer über an vielen Orten der Highlands stattfindet. Um die Wettkampfstätten herum sind Zelte und Buden aufgebaut, an denen die Besucher entweder kulinarische Angebote wie Fish and Chips oder anderen Vergnügungen nachgehen können, wie sie auch von deutschen Jahrmärkten bekannt sind. Im Zentrum stehen jedoch die Wettkämpfe. Zum Einen finden Spiele und Sportvergleiche wie Sackhüpfen, Tauziehen oder Kissenschlachten auf waagerechten Baumstämmen für Kinder und Jugendliche statt, die von allen Bewohnern der Gegend und vielen Urlaubsgästen mit großem Vergnügen in Anspruch genommen werden. Zum Anderen werden Lauf- und Sprungwettbewerbe veranstaltet, die mit sehr viel Engagement angenommen werden. Den Höhepunkt der sportlichen Wettkämpfe stellen jedoch die eigentlichen traditionellen Mehrkampfsportarten wie Hammerwurf, Gewichtschleudern oder Baumstammüberschlagwerfen dar, die semiprofessionellen Wettkämpfern vorbehalten sind, die von Games zu Games reisen und in einer Gruppe von 10 Kämpfern ihre Kräfte messen. Diese Jungs sind wahre Gladiatoren, keiner wiegt unter 200 Kilo, den größten – wir haben ihn „The Rock“ getauft – schätze ich auf deutlich über 2 m Größe. Diese Kämpfer, gut gelaunt, immer ansprechbar und locker drauf, kommen allesamt – wie auch viele Besucher - im Kilt daher und sehen mit ihren Beinen und Oberarmen wie Baumstämmen sehr beeindruckend aus.

Darüber hinaus finden Wettbewerbe in traditionellen Tänzen statt, die den irischen Volksstänzen durchaus ähnlich sind. Doch damit nicht genug: Den ganzen Tag über erklingt über das Wettkampfgelände Dudelsackmusik, mal vom Musikkorps der Sutherland School, mal von Einzelspielern vorgetragen, die in den Ecken des Wettkampfgeländes auf kleinen Bühnen zum Spiel ihrer Dudelsäcke sehr langsam und im Zögerschritt im Viereck marschieren.

Was wir heute erleben haben, ist wunderbar! Scotland is so exiting and impressive! Oh, we love t!

26. Juli 2015
Nach einem Tag mit Faulenzen, Bildbearbeitung und zwei Wanderungen in die Umgebung von Durness zieht es uns weiter durch die North-West-Highlands. Wie gut, dass heute Sonntag ist, sodass uns auf den Single-Track-Roads mit Steigungen bis zu 20 % außer ein paar Touristenbussen keine großen Fahrzeuge entgegen kommen. Das Panorama der grasbewachsenen, von unzähligen Schafen und wenigen Menschen bevölkerten Gegend, das sich mit jedem Kilometer ändert, ist grandios. Das Land ist auch deshalb so dünn besiedelt, weil wir uns am Rande der sog. Highland Clearences befinden, einem Landstrich, der nach dem Sieg der Engländer über die Schotten in der Schlacht von Culloden 1746 durch Zwangsumsiedelungen und Auswanderungen praktisch entvölkert wurde, um Platz für die einträgliche extensive Schafwirtschaft zu gewinnen. Davon hat sich dieser Landstrich bis heute nicht erholt.

Schließlich erreichen wir Dunned Head, den nördlichsten Festlandpunkt Schottlands, mit einem schönen Leuchtturm und Resten der Beobachtungsposten, von denen aus in Weltkriegszeiten die Meerenge zwischen dem Festland und den Orkney Islands überwacht wurde. Gegenüber liegt die Bucht von Scapa Flow, die durch die Selbstversenkung der von den Engländern erbeuteten Schiffe der deutschen Kriegsmarine 1919 und den deutschen U-Bootangriff durch die U 47 des Kapitänleutnants Prien , der die HMS Royal Oaks versenkte, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zu trauriger Bekanntheit gelangte.

Nachdem wir in Gills am Terminal für morgen die Fähre zu den Orkneys gebucht haben, fahren wir noch ein paar Kilometer weiter zum Duncansby Head, wo wir die Aussicht auf eine gewaltige, von pyramidalen Kalksteinspitzen geprägte Felsformation vor der Küste genießen und den Papageientauchern in den Klippen bei ihrem geschäftigen Treiben zusehen.

Die Nacht vor der Überfahrt verbringen wir – mit Blick auf das Meer und die Orkneys – auf dem Campsite von John-O’-Groats, dem nördlichsten Festlandsort Schottlands.

30. Juli 2015
Die Einschiffung auf dem Katamaran von Gills nach St. Margret’s Hope auf die Insel South Ronaldsay der Orkneys ist ein bisschen knifflig, weil das Schiff nur von vom Heck her beladen wird, sodass man, um am Ziel vorwärts herausfahren zu können, rückwärts die Rampe herunter manövrieren und anschließend einen Winkel fahren muss, aber dank Rückwärtskamera und manueller Einweisung durch das freundliche Personal gelingt es reibungslos, unseren 7,5m-Truck auf den Punkt genau einzuparken. Schon die Überfahrt wird zum Erlebnis, weil man an der Küstenlinie der ersten Inseln, die zur Orkney-Gruppe gehören, entlangfährt und die verstreut liegenden Bauernhöfe mit ihren Rindern und Schafen sowie eine Vielzahl von Seezeichen beobachten kann.

Während unseres Aufenthalts auf Mainland, der Hauptinsel der Orkneys, die man über Dämme von South Ronaldsay und Burray erreicht, besuchen wir mehrere Ausgrabungsstätten der Steinzeit, alle zwischen 4500 und 5000 Jahre alt und von den Archäologen akribisch restauriert und sorgfältig gepflegt. Dazu gehört u. a. Maeshowe, ein Hügelgrab mit einer 5 m hohen Kammer, deren Ausgang exakt auf den Stand der Sonne zur Wintersonnenwende ausgerichtet ist. Eine ähnlich spektakuläre Anlage haben wir 2011 auf unserer Irlandfahrt in New Grange in der Nähe von Drogheda bei Dublin gefunden. Dazu gehören auch die Standing Stone of Stenness und der Ring of Brodgar, der einen Durchmesser von 104 m hat und ursprünglich aus 60 Monolithen bestand, von denen heute noch 27 zu bestaunen sind.

Einen besonderen Höhepunkt stellt der Besuch von Scara Brae dar, das von Sir William Watt 1850 durch einen Zufall entdeckt und anschließend freigelegt wurde. Die Grundmauern des kleinen Dorfes an der Küste mit einem schönen Sandstrand, die Strukturen der Häuser und deren Grundausstattung wie z. B. Herde, Vorratskammern und Schlafstätten wurden perfekt herausgearbeitet, präzise restauriert und bieten dem Besucher ein beeindruckendes Bild des Dorflebens um die Zeit von 3100 AD.

Der schönste Ort auf Mainland ist der Hauptort Kirkwall, eine Hafenstadt mit großen Kreuzfahrtschiffen, Fischtrawlern und Fähren auf die kleinen Nachbarinseln, in dessen Zentrum die Kirche St. Magnus und der aus dem 12. Jh. stammende Bishop’s and Earl’s Palace stehen.

Über diese Besonderheiten hinaus haben uns die Orkneys mit ihren wilden Küsten, den hoch über den Cliffs liegenden Leuchttürmen, den beschaulichen Orten und den freundlichen Menschen, die ebenso gern ein kleines Schwätzchen halten wie die Iren, geradezu verzaubert.

2. August 2015
Nach einer unproblematischen Überfahrt mit der Pentalina von St. Margret’s Hope nach Gills und einer Übernachtung auf Duncansby Head mit einem phantastischen Blick auf die Orkneys checken wir uns auf dem Campsite des British Caravan Club in der Dunnet Bay ein, der wie alle Plätze des Clubs hervorragend gepflegt und organisiert ist und direkt an einem riesigen Sandstrand liegt. Ein Hoch auf Janice Tarn, die Chefin des Platzes, die uns mit einem strahlenden Lächeln empfängt.

Hier haben wir uns mit unserer Schwiegertochter Uli und unserem Sohn Christian verabredet, die mit ihrem Wohnmobil ferienbedingt ca. drei Wochen später als wir gestartet sind und sich auch auf dem Weg zu den Orkneys und den Äußeren Hebriden befinden. Welch ein schönes Erlebnis, als die Beiden am Nachmittag mit ihrer Queenie eintreffen. Die Freude unserer beiden – zuhause unzertrennlichen – Dackel kann locker mit der der Menschen um sie herum mithalten. Wir verbringen einen wunderbaren unterhaltsamen Abend mit unseren Kindern, während die Hunde nach wildem Getobe am Nachmittag früh schlummernd in ihren Körbchen liegen. Das sind die Momente, in denen das Leben besonders lebenswert ist!

Gestern morgen ziehen die Kinder weiter, um rechtzeitig ihre Fähre zu erreichen, während wir uns gemächlich auf den Weg in den Süden machen. Am Abend erreichen wir nach einer Fahrt über Inverness und am Loch Ness entlang das Örtchen Invermoriston und übernachten in der Nähe des Sees.

Heute nun geht es zunächst zum Urquhart Castle, dessen gut erhaltene Ruine spektakulär am Ufer des Loch Ness liegt. Vom Turm des Schlosses hat man einen wunderbaren Blick auf den See, immer von der Hoffnung beseelt, das Ungeheuer von Loch Ness, liebevoll Nessie genannt, trotz aller Misserfolge, die schon andere hatten, doch noch zu sehen. Aber – nun ja, was soll ich sagen? Man kann nicht immer Erfolg haben.

Apropo Nessie: In Drumnadrochit, ganz in der Nähe des Urquhart Castle gelegen, bewundern wir wieder einmal die Kunst der Schotten, aus Nichts Geld zu machen: Um den Nessie-Kult herum ist in dem gesamten Dorf für den halbwegs auf rationale Betrachtung bedachten Beobachter ein Treiben zu sehen, das durchaus das Zeug zu einem Possenspiel hat, Die Parkplätze fassen die Autos und unzähligen Busse nicht mehr, die ununterbrochen Menschen ausspucken, die sich auf den Weg in die zahlreichen Souvenirläden, Kneipen, Restaurants oder das Exhibition Centre machen, das ausschließlich der Geschichte um Nessie gewidmet ist, die es eigentlich gar nicht gibt.

Unsere Flucht ist erfolgreich. Wir fahren weiter am Loch Ness entlang und erreichen über Fort Augustus mit seiner Kaskade von fünf Schleusen im Caledonian Canal. Bevor wir Fort William erreichen, wo wir ja auf der Fahrt in Richtung Isle of Skye bereits waren, besuchen wir in Spean Bridge das Commando Memorial, ein Denkmal mit den Skulpturen dreier Soldaten, das den Gefallenen der Sondereinheiten gewidmet ist, die hier für ihre Einsätze im Zweiten Weltkrieg unter härtesten Bedingungen ausgebildet wurden. Das Memorial ist ein weiteres beeindruckendes Beispiel dafür, mit welcher Würde und welchem Aufwand Traditionen in Großbritannien gepflegt und der Menschen gedacht wird, die sich um ihr Land verdient gemacht haben.

Gegen Abend erreichen wir unser Grundstück, an dem wir übernachten…Wie bitte? Ein Grundstück in Schottland?

Doch darüber morgen mehr.

3. August 2015
Also dann: Wieso ein Grundstück in Schottland? Antwort: Der Highland Titles Nature Reserve hat sich zum Ziel gesetzt, zur Erhaltung der unberührten schottischen Natur riesige Reservate einzurichten, deren Verwaltung, Pflege und Weiterentwicklung mit großem Aufwand betrieben werden. Dies gelingt nur mit Hilfe finanzieller Unterstützung durch Menschen in aller Welt. Um die notwendigen Gelder zu generieren, kam man auf die Idee, in den Reservaten Grundstücke von der Größe eines Square Foot (Quadratfuß, ca. 30x30 cm) zu verkaufen. Mit dem Erwerb des Grundstückes ist übrigens das staatlich verbriefte Privileg verbunden, den Titel „Laird“ zu führen. Dieser ist ausdrücklich nicht mit einem Sitz im britischen Oberhaus verbunden. Im letzten Jahr kamen unsere Kinder auf die wunderbare Idee, mir ein solches Grundstück zu schenken, das ich nun heute endgültig in Besitz nehmen will. Das Reservat liegt in der Nähe von Glencoe, an der A 828 zwischen Fort William und Oban. Mit Hilfe ausführlicher Erläuterungen durch unseren Guide David und Dank einer Navigations-App, deren Besitz mit dem Erwerb des Grundstückes verbunden ist, steigen wir bei strömendem Regen in das sehr steile Gelände ein und finden ohne Probleme das winzige Fleckchen Schottlands, das von nun an uns gehören soll. Die Inbesitznahme verbinden wir mit dem Aufbau einer kleinen Steinpyramide und dem Pflanzen einer Birke, die uns Highland Titels einschl. eines Spatens zur Verfügung gestellt hat. Welch ein herrliches und berührendes Erlebnis, das in uns nun endgültig den Beschluss reifen lässt, im nächsten Jahr zurück zu kommen und den Wuchs unseres Bäumchens wohlwollend zu begleiten. Klitschnass, aber glücklich verlassen wir den Ort, der uns schon ein wenig ans Herz gewachsen ist, verabschieden uns von David und Stewart, seinem Kollegen, und setzen unsere Reise mit einem Besuch des Visitors Centre Glencoe des National Trust – oh, we are members – fort. Das Centre ist v. a. dem Massaker von Glencoe gewidmet, in dem 1692 fast der gesamte Clan der MacDonalds of Glencoe von englischen Soldaten niedergemetzelt wurde, weil der Chief des Clan vom englischen König zu einem ultimativen Treueeid aufgefordert worden war und dazu aber aufgrund unglücklicher Umstände um sechs Tage zu spät kam. Dies wurde vom englischen König Wilhelm III von Oranien als Affront aufgefasst, den er umgehend zum Anlass für eine fürchterliche Bestrafung nahm.

Von nun an zieht es uns immer weiter nach Osten. Wir fahren zunächst zurück nach Fort William und Spean Bridge (Commando Memorial) und folgen der Straße nördlich der Grampian Mountains bis zum Fuß des Cairn Gorm (1245 m), wo wir auf dem letzten Parkplatz unterhalb einer Bergstation des Skigebietes mit einem atemberaubenden Ausblick auf die umliegenden Berge übernachten wollen.

4. August 2015
Wir verlassen das Gebiet des Cairn Gorm nach einer Nacht mit orkanartigen Sturmböen, die unser immerhin fast vier Tonnen schweres Fahrzeug mächtig zum Schaukeln und seine Insassen fast an den Rand der Seekrankheit gebracht haben, und folgen dem sog.Whisky-Trail, auf dem sich eine Destillery an die nächste reiht. Hier tauchen Namen auf, die der eher unerfahrene Gelegenheitsgenießer nur aus dem Regal im Supermarkt kennt. Übrigens: Der schottische „Whisky“ wird im Gegensatz zum irischen „Whiskey“ ohne „e“ geschrieben. Aber was wäre eine Reise nach Schottland ohne den Besuch einer solchen Destillery, in der das Nationalgetränk der Schotten, der Single Malt Whisky, hergestellt wird. Wir entscheiden uns für Glennfiddich in Dufftown, nach eigenen Angaben „the Capital of Malt Whisky“, und lassen uns in der wunderbar gepflegten Anlage in die Geheimnisse der Whiskyherstellung einweihen. Dabei erfahren wir z. B., dass der älteste bei Glennfiddich gelagerte Whisky ca. 65 Jahre alt ist, dass der 50-Jähige, der vor kurzem verkauft wurde, als Flasche ca. 22.000 Pfund erbracht hat, und dass zur Zeit in den Hallen des Familienbetriebes ca. 136 Millionen Liter Whisky unterschiedlichsten Alters gelagert werden. Bei einer Verkostung halten wir uns vornehm zurück, um unsere Weiterfahrt nicht zu gefährden, entscheiden uns jedoch für je eine Flasche vom 14- und 18-jährigen Tropfen, die – Bacchus sei Dank – nicht ganz in die preislichen Dimensionen des 50-jährigen vorstoßen.

6. August 2015
Nach einem erholsamen Tag am Strand von Banff, wo wir wieder auf die Küste der Nordsee gestoßen sind, zieht es uns immer weiter nach Süden. Wir durchqueren  Aberdeen und erreichen südlich von Stonehaven das Dunnottar Castle, das einst dem Earl of Keith von Robert the Bruce überlassen wurde, nachdem dieser ihm 1314 in der Schlacht von Bannockburn bei Stirling als Kommandant der Kavallerie zum Sieg verholfen hatte. Die sehr gut erhaltene Ruine liegt hoch über dem Meer auf einem steilen Felsen und ermöglicht dem Besucher einen beeindruckenden Einblick in die Welt des Mittelalters.

Wir verlassen noch einmal die Küste und fahren aus einer anderen Richtung soz. „auf die Rückseite“ des Cairn-Gorm-Massivs zu, bis wir in der Nähe von Braemar Balmoral Castle erreichen. Der Besuch dieses Schlosses ist eigentlich ein Muss für jeden Schottland-Reisenden, weil es die Sommerresidenz der englischen Königsfamilie ist. Gleichzeitig wird uns diese Tatsache zum Verhängnis, weil die Royals gerade auf Balmoral weilen, wir dort leider keine Audienz haben und somit vor dem Eingangstor zum Schlosspark kehrt machen müssen. So bleibt uns neben dem Bewusstsein, der Queen und ihrer Familie zumindest räumlich sehr nahe gewesen zu sein, nur noch die Möglichkeit, auf dem Parkplatz vor dem Schloss – gut bewacht durch die vielen Bobbies, die eigentlich für die Sicherheit der Queen zuständig sind – zu übernachten.

7. August 2015
Unser weiterer Weg nach Süden führt uns von Balmoral über Braemar, wo in jedem Jahr die Royals am ersten Wochenende im September die Highland Games besuchen, durch eine Berglandschaft, die von tiefen Tälern durchschnitten wird. Überall rechts und links der Straße (manchmal auch darauf) weiden und ruhen Schafe. Als wir einen Pass überqueren, auf dem sich auch die Talstation einer Skipiste mit Sessellift befindet, entdeckt Brigitte ca. 400 m oberhalb an einem steilen Hang ca. 50 Tiere, die dort in der Sonne grasen. Red Deers (Rotwild)! Dieser Anblick lässt das Herz des eher dem Wild Boar (Schwarzwild) zugewandten niedersächsischen Jägers mit einem Schlag in Wallung geraten. Und richtig: Das Wild nutzt die Sonne des Morgens, um dort oben in aller Ruhe zu äsen. Neben Alttieren und Kälbern sehen wir mehrere Hirsche unterschiedlichen Alters, vom schlanken und jungen Spießer bis zum Kapitalen, der sicherlich in der im September anstehenden Brunft als Platzhirsch den Chef im Ring geben wird. Welch ein großartiger Anblick, von dem wir uns nach vielen Fotos mit langen Brennweiten erst nach einer halben Stunde losreißen können, und welch ein Abschied – zumindest für dieses Jahr – von den Highlands, die uns so sehr in ihren Bann geschlagen haben.

Nach weiteren zwei Stunden Fahrt in Richtung Edinburgh überqueren wir den Firth of Forth über eine der beiden gewaltigen Brücken und machen uns auf die Suche nach einem stadtnahen Campingplatz, von wo aus wir für die kommenden Tage die schottische Hauptstadt erkunden wollen. Das nun folgende Drama will ich auf das Ergebnis reduzieren: Nachdem wir auf dem fünften Campingplatz wegen Überfüllung abgewiesen wurden, weil an diesem Wochenende in der Stadt mehrere Großveranstaltungen stattfinden, geben wir entnervt auf und verschieben unseren Edinburgh-Besuch auf den Beginn unserer Schottlandreise des nächsten Jahres und fahren an der Küste entlang bis nach Coldingham, also in die Nähe der schottisch-englischen Grenze.

8. August 2015
Nachdem wir die Grenze in Richtung Süden überfahren haben – ein großes Schild und drei schottische Flaggen an der A 1 sind die einzigen Hinweise darauf -, fahren wir nach Lindisfarne. Die Ruine des Klosters, das im 8. Jh. von den Wikingern als eines der ersten Ziele der Nordmänner in England überfallen und ausgeraubt wurde, liegt auf der Insel Holy Island, die man über einen Damm nur bei Ebbe erreichen kann. Nach drei Stunden Wartezeit gelangen wir zum Kloster und zur 1549 gebauten Burg Lindisfarne Castle, die hoch über dem Meer auf einem Felsen thront. Ein Besuch des Castle, das vom National Trust betreut wird – oh, we are members – wird zu einem besonderen Erlebnis, weil das Gebäude liebevoll eingerichtet ist und den Eindruck vermittelt, als wären die Bewohner nur mal eben zum Einkaufen gegangen und kämen gleich zurück.

Von der Terrasse von Lindisfarne Castle, das durch die Fernsehserie „The Vikings“ in der letzten Zeit zusätzlich bekannt geworden ist, sieht man übers Meer die Silhouette von Bamburgh Castle, dessen Berühmtheit in den vergangenen Jahren durch die Bücherserie Bernard Cornwells über Uthred von Bebbanburgh und die Zeit der Gründung Englands zusätzliche Berühmtheit erlangt hat. Als wir nach ein paar Kilometern unter der Burg stehen, sind wir überwältigt von der Größe dieser gewaltigen Wehrburg, die sich heute im Besitz der Familie Armstrong befindet. 14 Räume, die umfangreich mit Wandgemälden, Teppichen, Möbeln, Geschirr, Waffen  und anderen Gegenständen der Familie eingerichtet sind, können besichtigt werden und zeichnen ein beeindruckendes Bild des englischen Hochadels. Dieses Bild findet seine makabre Abrundung in der reich bestückten und mit lebensgroßen Puppen dekorierten Folterkammer, die sich kurz vor dem Ausgang befindet, nachdem man übrigens – sozusagen als Vorgeschmack darauf - den unvermeidlichen Giftshop passiert hat.

18. August 2015
Unsere Reise neigt sich dem Ende zu. Wir sind an der englischen Ostküste entlang gebummelt, haben London über die M 20 links – nein rechts – „liegen gelassen“, brauchten in Dover trotz nicht vorhandener Vorbuchung nur zwei Stunden auf unsere DFDS-Fähre zu warten, haben auf dem Schiff zum letzten Mal Fish and Chips gegessen – ein Fehler, weil das Essen uns schmerzhaft daran erinnert hat, dass das Zauberwort „Fish and Chips“ keine Garantie für Qualität wie die von „The Chippies“ in Ullapool ist – und sind nach einem halben Fahrtag in Lemmer am Ijsselmeer gelandet. Hier verbringen wir noch ein paar erholsame Tage bei herrlichem Wetter am Wasser und fahren nach einem weiteren Zwischenstopp in Greetsiel, Ostfriesland, und dem Genuss leckerer  Matjesbrötchen voller Vorfreude auf Haus und Garten, auf die Freunde, die uns ein wenig übers Internet begleitet haben, auf die noch Wochen dauernde Bearbeitung der über 4.000 Fotos am PC und deren „Eindampfung“ in unsere Website und DVDs sowie auf den Alltag in unserer schönen Stadt nach sieben Wochen ins heimatliche Lüneburg zurück.

Es war eine faszinierende Reise durch Landschaften, die zu den schönsten zählen, die wir gesehen haben, mit Städten, die einen wunderbaren Gleichklang zwischen britischen Traditionen und moderem Stadtleben präsentieren, mit Schlössern und Gärten, Spiegel der englischen und schottischen Geschichte und Kultur widerspiegeln, und mir Menschen, freundlich, hilfsbereit, warmherzig, humorvoll immer zu einem kleinen Schnack aufgelegt.

What a wonderful journey!
See you next year in Scotland!